Der Verstand missversteht die Widerstandslosigkeit. Für ihn klingt es nach Resignation, Aufgeben und "alles hinschmeißen". Die totale Widerstandslosigkeit könnte er als "nicht wehren" interpretieren oder er könnte in eine Lethargie fallen, wenn er keinen Widerstand mehr erheben darf. Das sind alles eher negative Zustände, die im Leben nicht sinnvoll sind und eher zu Leid führen, als zu Glück und Frieden. In diese Zustände fällt man aber nur dann, wenn man den Widerstand an sich als etwas Schlechtes betrachtet. Etwas, das weg muss. Und hier liegt die Fehlinterpretation. Widerstand ist grundsätzlich nichts Schlechtes! Der Rat, Widerstandslosigkeit zu kultivieren, bedeutet auch: Keinen Widerstand gegen den Widerstand aufzubauen!
Wenn wir einen Widerstand spüren, ist das erst einmal völlig okay! Alle Gefühle sind okay. Die Akzeptanz fängt bei der Annahme all unserer Gefühle an - auch dem Gefühl des Widerstands. Wenn wir einen Widerstand gegen etwas spüren, hat das einen Grund und eine Ursache. Deshalb ist es wichtig, das Gefühl erst einmal völlig anzunehmen - also keinen Widerstand gegen den Widerstand aufzubauen. Sobald wir den Widerstand annehmen und akzeptieren, haben wir einen klaren Blick auf die Situation und können vielleicht auch die Ursache für den Widerstand ermitteln. Wir werden von dem Gefühl nicht mehr kontrolliert und können klarer erkennen, was zu tun ist.
Nehmen wir als Beispiel ein Trauma, das die Ursache für einen Widerstand bildet. Hat man als Kind zum Beispiel Ablehnung erfahren, kann dieses Trauma dazu führen, dass man im Erwachsenenalter bei erneuter Ablehnung einen heftigen Widerstand spürt. Man versucht sich gegen das Gefühl (und seinen Auslöser/Trigger) zu wehren und reagiert unter Umständen unfair und irrational. Man wird regelrecht von dem Widerstand gegen das Gefühl kontrolliert. Mit einer bewussten Betrachtungsweise und der Akzeptanz des Gefühls, kann man in solch einer Situation jedoch ruhig bleiben. Man kann bewusst schauen, wo das Gefühl herkommt und entzieht sich damit der Kontrolle, die das Gefühl ansonsten über einen hätte.
Baut man jedoch einen Widerstand gegen den Widerstand auf, weil man der Meinung ist, dass man Widerstandslos sein muss, ist das ein Kampf gegen den Widerstand - und Kampf erzeugt neuen Kampf! Der Widerstand wird dadurch nur umso stärker. Und die Situation wird schlimmer.
Das ist der Unterschied zwischen wirklicher Widerstandslosigkeit und der Fehlinterpretation dessen. Wirkliche Widerstandslosigkeit bedeutet Akzeptanz von Allem. Und mit Allem ist auch der Widerstand selbst gemeint.
Es gibt auch Situationen, in denen Widerstand ganz und gar sinnvoll ist. Wenn du zum Beispiel einen Raum betrittst, in dem eine fürchterlich negative Schwingung herrscht, spürst du sofort einen Widerstand und den Impuls, den Raum zu verlassen, um dich zu schützen. Wenn du diesen Widerstand ignorierst und dich zur Widerstandslosigkeit zwingst, schadest du dir damit. Oder wenn du in eine Situation gerätst, die aus irgendeinem Grund gefährlich für dich werden könnte, wirst du ebenfalls mit einem Widerstand reagieren. Du wirst diesen Widerstand zunächst nicht verstehen und nicht erkennen können, warum er da ist, aber er wird dich aus der Situation herausholen wollen, um dich zu schützen. Widerstand entsteht unter Anderem auch durch deinen angeborenen Überlebensinstinkt. Er will dich einfach nur schützen.
Wenn man Widerstände in jeder Situation annimmt und akzeptiert, kann man die Gründe und Ursachen dafür erkennen. Und selbst, wenn man sie nicht erkennt, kann man zumindest unterscheiden, ob es sinnvoll wäre die Situation zu verlassen oder nicht. Widerstände sind also im Grunde nicht schlecht. Sie sind vollkommen in Ordnung und sinnvoll - wenn sie akzeptiert werden. Denn dann erkennt man ihre Gründe und Impulse und kann entsprechend handeln. Werden Widerstände jedoch krankhaft, können sie erheblichen Schaden anrichten.
Krankhaft werden Widerstände immer dann, wenn sie aufrechterhalten werden. Wenn ihre Impulse und der Grund ihres Auftretens nicht erkannt oder akzeptiert wurden. Der Widerstand gegen einen Lebensumstand zum Beispiel ist in Ordnung, denn er löst den Drang und Impuls in einem aus, etwas zu unternehmen, um die Sitauation zu ändern. Und das ist natürlich sinnvoll, wenn der Lebensumstand schädlich für einen ist. Wird dieser Widerstand aber nicht als sinnvoller Impuls angesehen, kann er auch nicht wieder losgelassen werden. Er wird aufrechterhalten. Die Situation/der Lebensumstand wird damit "bekämpft" und der Widerstand wird selbst zu einem schädlichen Einfluss. Ein aufrechterhaltener Widerstand ruft neuen Widerstand hervor und neuen Kampf. Die Situation wird damit nicht besser, sondern immer schlimmer.
Spürt man also einen Widerstand, ist es das Beste, diesen erst einmal vollkommen anzunehmen und als sinnvoll anzuerkennen. Der Widerstand will einem etwas sagen. Hat man ihn angenommen und akzeptiert, kann man entsprechend handeln, ohne den Widerstand aufrechtzuerhalten. Wenn man ihn anerkannt hat, braucht man ihn ja nicht mehr.
Wenn man Widerstände immer öfter annimmt und akzeptiert, mehr Bewusstsein entwickelt und Achtsamkeit, werden die Widerstände schwächer werden. Sie fühlen sich dann nicht mehr so massiv an, weil sie einen dann nicht mehr so "packen" müssen, damit man ihren Sinn versteht. Irgendwann kommt man von ganz allein in den Zustand der totalen Widerstandslosigkeit. Es wird dann trotzdem noch Situationen geben, die vielleicht nicht gut für einen sind oder die einen triggern. Aber dann spürt man keinen heftigen Widerstand mehr, sondern nur noch Impulse, die einem sagen, was nun zu tun ist, was gut für einen ist und was nicht.