Hier kommt ein wichtiger Auszug aus der neuen Auflage von "Euphoria - Der Tanz der Götter" über das Thema Entwicklung und Evolution:
»Moment«, sagte sie überrascht. »Krankheiten existieren bei euch nicht?«
Er schüttelte mit dem Kopf.
»Gar nicht??«, fragte sie noch einmal.
»Nein. Wir sorgen dafür, dass es gar nicht erst dazu kommt.«
Sie zwinkerte erstaunt. »Und wie macht ihr das?«
»Nun«, sagte er und seufzte, »wir haben zunächst einmal natürlich bessere Voraussetzungen. Ihr seid in dieser Welt sehr vielen Dingen ausgesetzt, die krank machen. Dingen, die es bei uns nicht gibt. Stress zum Beispiel. Und damit meine ich körperlichen und seelischen Stress. Ihr seid Giften ausgesetzt. In der Luft, im Wasser, in der Nahrung. Hinzu kommt eure Ernährung.« Wieder seufzte er. »Du lebst in einer ziemlich toxischen Welt, Miriam.«
Sie nickte. »Ich weiß«, sagte sie betreten. »Aber ich kann diese Welt nun mal nicht ändern.«
»Nein«, entgegnete er. »Aber was ich damit sagen wollte, ist Folgendes«, er atmete tief ein und sah sie dabei mit einem Blick an, der fast ein wenig Bewunderung ausdrückte. »Wir betreten unsere Welt mit perfekten Voraussetzungen. Wir werden mit Wertschätzung und Liebe groß, erleben keinerlei Dramen oder Traumata, die uns traurig oder krank machen können. Wir leben in einer gesunden Umwelt und ernähren uns artgerecht und natürlich. Unser ganzes Leben ist also so ausgerichtet, dass wir immer gesund sind. Immer in Harmonie.«
Miriam wurde fast ein wenig neidisch. In solch einer Welt wäre sie auch gern groß geworden. In einer Welt, in der es keinen Streit gab, keine Traurigkeit, keine Dramen. Und keine Umweltgifte. Da war es natürlich leicht, gesund zu bleiben.
Hilar nickte. »Richtig. Aber da du in einer anderen Umwelt lebst, in einer feindlichen und toxischen Welt, bietet sich dir eine unglaubliche Entwicklungschance«, sagte er begeistert. »Dein Körper muss ganz andere Dinge leisten, um zu überleben. Er muss mit Schwierigkeiten zurechtkommen, die wir gar nicht kennen. Und das heißt, er muss sich viel weiter entwickeln. Wir in Lumenia haben uns seit Jahrtausenden nicht weiter entwickelt. Weil wir das nicht mussten. Es gibt keine Schwierigkeiten bei uns, keine Hindernisse, über die wir uns hinaus entwickeln müssen. Schwierigkeiten und Hindernisse sind aber die Voraussetzung für Entwicklung und Evolution. Tiere und Menschen haben sich in der Evolutionsgeschichte immer nur deshalb weiter entwickelt, weil sie Schwierigkeiten ausgesetzt waren, über die sie sich hinaus entwickeln mussten. Diese Schwierigkeiten haben sie stärker gemacht, leistungsfähiger, cleverer, verstehst du? Sie mussten Hindernisse überwinden.«
Sie sah ihn erstaunt an. So hatte sie das noch nie betrachtet. Dass Probleme auch etwas Gutes sein konnten. Mehr noch: Probleme und Hindernisse waren der Grund für Entwicklung. Sie zwinkerte überrascht. Hilar betrachtete ihre problematische Welt also als eine Art Entwicklungschance?
»Deine Welt ist geradezu ein Nährboden für außergewöhnliche Entwicklungen«, sagte er. »Je größer die Schwierigkeiten, desto größer das Entwicklungspotential. Durch diese Schwierigkeiten, denen du ausgesetzt bist, hast du die Möglichkeit, dich viel weiter und stärker zu entwickeln, als wir es jemals könnten.« Er betrachtete ihr erstauntes Gesicht lächelnd und nickte anerkennend. »Ich vermute, dass in Lucy deshalb so außergewöhnliche Kräfte entstehen – Kräfte, die sogar unsere übersteigen – weil sie in einer ganz anderen Umwelt lebt, in der sie mit viel größeren Problemen zurecht kommen muss. Genauso wie du.«
Sie war sprachlos. Und immer noch blickte sie ihn mit großen, erstaunten Augen an. Er hatte recht. Sie hatte in der Schule gelernt, dass Evolution nur durch Schwierigkeiten möglich war. Durch Hindernisse. Ihre problematische Welt barg also ein unheimlich großes Potential. Denn an Schwierigkeiten mangelte es dieser Welt nun wirklich nicht. Hieß das also, dass sie größere Kräfte entwickeln würde, als die Lumenier? Sie konnte sich das kaum vorstellen.
»Hättest du Lucy im Sommer gesehen, hättest du keine Zweifel mehr daran«, sagte Hilar lachend. »Der Kristall hat eine Entwicklung in ihr angestoßen, die alles übersteigt, was ich je gesehen habe. Und ich denke, das wird auch mit dir passieren. Du wirst dich nicht nur heilen«, sagte er vollkommen sicher und überzeugt, »du wirst Fähigkeiten entwickeln, die unsere bei weitem übersteigen. Vermutlich hat Quidea recht.« Er lächelte jetzt wissend. »Er vermutet, dass ihr beide wahrscheinlich die nächste Evolutionsstufe der Menschheit einläuten werdet. Der gesamten Menschheit. Uns eingeschlossen.«
Wenn du meine Arbeit und Projekte unterstützen möchtest, freue ich mich über ein Geschenk: